"Das erneute Ausbleiben einer rot-rot-grünen-Koalition ist im Herbst 2013 von der parlamentarisch orientierten Linken allgemein mit Enttäuschung aufgenommen worden. Auch in den Debatten des Instituts Solidarische Moderne war viel von ‚vertaner Chance‘ und ‚ verlorenen Jahren‘ die Rede. Doch worauf stützen sich eigentlich diese Hoffnungen? So verständlich der Wunsch nach einem Politikwechsel ist, so wenig spricht doch gleichzeitig dafür, dass die erhofften sozialökologischen und demokratischen Transformationen mit einer rot-rot-grünen Regierung auch wirklich eingetreten wären."
Beitrag für das Buch "Anders regieren. Von einem Umbruch, der ansteht, aber nicht eintritt" von Stephan Lessenich, Mario Neumann, Thomas Seibert und Andrea Ypsilanti (Redaktion) (VSA 2014)
Wenn man die realen Erfahrungen der europäischen Mitte-Links-Regierungen in den letzten 35 Jahre betrachtet, wird man feststellen, dass von den emanzipatorischen Versprechen in der Regierungspraxis meist wenig übrig blieb – ja, bisweilen wurde nicht einmal das Schlimmste verhindert, sondern Schlimmes, das von der Rechten nicht durchgesetzt werden konnte, durch Mitte-Links-Regierungen erfolgreich legitimiert. In Deutschland etwa der erste Kriegseinsatz seit 1945, die Senkung von Kapital- und Spitzensteuersätzen und die Hartz-IV-Reformen, im Frankreich der 1980er Jahre unter Präsident Mitterrand die Zerschlagung der Stahl- und Kohleindustrie oder die Durchsetzung der Austeritätspolitik. Dass in die Zeit dieser Regierungen immer auch liberale Reformen etwa im Staatsbürgerrecht fielen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das gesellschaftliche Klima unter ihnen nach rechts verschob und der neoliberale Durchmarsch erleichtert wurde, da sich die Protestbewegungen demobilisierten.
Ich möchte in diesem Artikel an einem anderen europäischen Beispiel, nämlich den PSOE-Regierungen in Spanien (1982-1996 und 2004-2011), aufzeigen, dass die Erfahrungen mit der Schröder-Fischer-Regierung in Deutschland kein Einzelfall sind, und diskutieren, welche Funktionen Mitte-Links-Regierungen in Europa in den letzten Jahrzehnten ausgeübt haben. In einem zweiten Schritt werde ich mich dann der Frage zuwenden, wie sich gesellschaftliche Emanzipation entwickeln könnte, wenn Regierungswechsel offensichtlich weniger bedeutend sind als gemeinhin angenommen. Woher kommen die Impulse für sozialen und emanzipatorischen Fortschritt? Wie setzen sie sich gesellschaftlich und institutionell durch? Welche Rolle spielen Parteien, Bewegungen und Proteste? Und was ergibt sich daraus strategisch für linke Politik.
Spaniens Modernisierung unter der PSOE
Spanien scheint mir auch deshalb ein gutes Beispiel zu sein, um diese Fragen zu erörtern, weil kaum ein anderes westeuropäisches Land so lang von der Sozialdemokratie regiert wurde, in kaum einem Land die Mehrheiten so komfortabel waren: 1982 bis 1989 verfügte die Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) über die absolute Mehrheit; zwischen 1989 und 1996 sowie von 2004 bis 2011, als ihr nur wenige Stimmen im Parlament fehlten, konnte sie sich auf Linksparteien und nationale Minderheiten stützen. Zudem gehörte die PSOE, zumindest auf den ersten Blick, lange eher zum linken, transformationswilligen Flügel der Sozialistischen Internationale.
Wie lässt sich diese Stärke der PSOE erklären? Meine erste These wäre, dass die Partei bis in die 1990er Jahre vom gesellschaftlichen Widerstand gegen die Franco-Diktatur profitierte: von einem Widerstand wohlgemerkt, an dem sie selbst nur marginal beteiligt gewesen war.
1975, als General Franco nach vier Jahrzehnten klerikal-faschistischer Herrschaft starb, stand Spanien am Rande eines Volksaufstands. Das Verbot unabhängiger Gewerkschaften hatte die Arbeitskämpfe radikalisiert, politische Streiks waren an der Tagesordnung, die Arbeiterbewegung war von Basisorganisationen geprägt. Auch kulturell hatte der Frankismus jede Kontrolle verloren: Die Mehrheit der Jugendlichen rebellierte gegen den katholischen Mief, der sich mit der klerikal-faschistischen Rechten in Spanien breit gemacht hatte. Und nicht zuletzt hatte der gesellschaftliche Aufbruch auch eine klare politische Dimension: Seit Ende der 1960er Jahre waren unzählige revolutionäre Organisationen entstanden, selbst bewaffnete Gruppen genossen breite Sympathien. Im Baskenland etwa zählte die ETA, die 1973 den designierten Nachfolger Francos Admiral Carrero Blanco bei einem Attentat tötete und damit die Kontinuitätslinie der Diktatur kappte und jährlich Hunderte von Aktionen verübte, noch in den 1980er Jahren auf Zustimmungswerte in der Bevölkerung, von denen lateinamerikanische Guerillas nur träumen konnten.
Gleichzeitig war Spanien nach 40 Jahren Diktatur international isoliert. Der europäische Integrationsprozess war am Land vorbeigezogen. Zwar hatte es in den 1950 und 1960er Jahre eine rasante Industrialisierung und Verstädterung gegeben, doch verglichen mit dem Standard in der Europäischen Gemeinschaft war das Lebensniveau niedrig. Vor diesem Hintergrund erkannte das frankistische Establishment die Notwendigkeit einer umfassenden Modernisierung, die nach dem Tod Francos im November 1975 dann auch sofort einsetzte. Es kam zu einer autoritär kontrollierten Demokratisierung, der so genannte Transición, mit der das Establishment die Isolation in Europa zu durchbrechen und die Legitimationskrise im Inneren zu überwinden suchte. Grundlage dieser politischen Öffnung war ein – vom (noch durch Franco ausgewählten) Bourbonen-Prinzen Juan Carlos symbolisch repräsentierter – Pakt zwischen der frankistischen Rechten und den reformistischen Oppositionsparteien – v.a. der PSOE, der KP und den bürgerlich-republikanischen Parteien Kataloniens und des Baskenlands. In dessen Rahmen akzeptierte die Rechte die Dezentralisierung Spaniens durch Autonomiestatute, die Legalisierung der Linksparteien und die Durchführung von freien Wahlen. Im Gegenzug sicherte sich der Frankismus Schlüsselpositionen in Justiz, Polizei, Armee und Wirtschaft, wurde durch eine Amnestie dauerhaft vor einer Strafverfolgung der während der Diktatur verübten Verbrechen geschützt, und die gesellschaftliche Debatte über das politische und ökonomische System wurde abgebrochen, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Beim Verfassungsreferendum von 1978 hatte die Bevölkerung denn auch nur die Wahl zwischen einer uneingeschränkten Kontinuität des frankistischen Systems und einer elitendominierten, begrenzten Demokratisierung.
In diesem Zusammenhang verwandelte sich die PSOE, die 1975 nur 1500 Mitglieder zählte, mit ihrem erst 31-jährigen und weitgehend unbekannten Vorsitzenden Felipe González innerhalb weniger Monate zur wichtigsten Oppositionspartei. Bemerkenswerterweise gelang den Sozialisten dieser Aufstieg, obwohl sie im Widerstand gegen die Diktatur keine Rolle gespielt hatten. Wie die bürgerlich-regionalistischen Parteien Kataloniens (CIU) und des Baskenlands (PNV) hatten sich die Aktivitäten der PSOE in den Jahren der Diktatur darauf beschränkt, die Existenz der Partei im Exil zu sichern. Der Widerstand im Landesinneren hingegen war im Wesentlichen von neuen Jugend- und Arbeiterbewegungen, der befreiungsnationalistischen radikalen Linken im Baskenland und Katalonien, trotzkistischen und maoistischen Organisationen sowie der KP getragen worden.
Dass die PSOE trotzdem innerhalb kürzester Zeit zur wichtigsten Oppositionskraft aufsteigen und bereits 1977 bei den Wahlen 29% der Stimmen einfahren konnte, verdankte sie v.a. zwei Faktoren. Zum Einen genoss sie die Unterstützung der Sozialistischen Internationalen und v.a. Willy Brandts und der SPD, die – wie schon 1974 in Portugal und durchaus im Einklang mit den Interessen der NATO – eine revolutionäre Eskalation der Lage in Südeuropa um jeden Preis zu verhindern suchten. Zum anderen profitierte sie vom doppelten Drohszenario in Spanien: In Anbetracht der unverhohlenen Drohungen rechter Militärs erschien die PSOE der noch vom Bürgerkrieg traumatisierten republikanischen Bevölkerung als diejenige Partei der Linken, die von den faschistischen Eliten gerade noch akzeptiert werden würde. Gegenüber Unternehmern und bürgerlichen Rechten hingegen stellte sich die PSOE als jener politischer Akteur dar, der der systemoppositionellen Linken das Wasser abgraben und dank seiner guten Auslandsbeziehungen die europäische Integration vorantreiben könnte.
Der erdrutschartige Wahlsieg der PSOE 1982 war denn auch ein Ergebnis davon, dass sich die bürgerlichen Übergangsregierungen als unfähig erwiesen, die sozialen und politischen Konflikte im Land zu deeskalieren. Vor allem im Baskenland hatte sich Situation weiter verschärft. Im Kampf gegen das AKW Lemoiz besetzte ein ETA-Kommando 1980 eine ganze Fabrik, in der Bauteile für die Anlage hergestellt wurden, und entführte wenig später den verantwortlichen Bauleiter; gleichzeitig demonstrierte Hunderttausende auf den Straßen. Die ETA-nahen Linksparteien waren bei den Wahlen 1980 auf 26,5% der Stimmen gekommen, diverse kommunistische Parteien erzielten weitere 6%.
Die PSOE, die 1979 eine programmatische Abkehr vom Marxismus vollzogen und damit „Regierungsfähigkeit“ unter Beweis gestellt hatte, schien die einzige staatstragende Partei, die die Lage wieder stabilisieren konnte. Der Weg für den mittlerweile 38jährigen Felipe González war damit frei.
Die vier Amtsperioden der PSOE bis 1995 lassen sich denn auch als ein erfolgreiches Appeasement- und Modernisierungsprojekt Spaniens beschreiben. Unter González beschleunigte sich die gesellschaftliche Öffnung: Der Staat wurde laizistisch reformiert, das Abtreibungsverbot fiel, die reaktionäre Familien- und Nationalmoral des Frankismus wurde zurückgedrängt. Ein Teil der spanischen Arbeiterschaft profitierte auch sozial: von neuen Arbeitslosenversicherungen, Strukturfonds und dem Beitritt des Landes zum EG-Binnenmarkt 1986. Durch Tourismus, Bau- und exportorientiertem Agrarsektor kam es zu einem Anstieg der Einkommen, die Anbindung an die europäische Kapitalmärkte erleichterte den Zugang zu Konsum- und Hypothekenkrediten und erhöhte das Konsumniveau auch ohne entsprechende Erhöhung der Reallöhne.
Gleichzeitig jedoch griff die PSOE mit ihrer Modernisierungspolitik auch die traditionelle Arbeiterklasse an und zerstörte damit jene gesellschaftliche Macht, der sie ihre Bedeutung wesentlich verdankte. Im Rahmen der industriellen Umstrukturierung („reconversión industrial“) gingen in den 1980er Jahren Hunderttausende Arbeitsplätze in den Schwer- und Werftindustrien verloren. Dahinter steckte nicht nur und nicht überall die Schließung veralteter, konkurrenzunfähiger Industrien, sondern auch die politisch gewünschte Zerschlagung der gut organisierten und militanten Arbeiterbewegungen Asturiens und des Baskenlands. Und noch in anderer Hinsicht wies die Politik von Felipe González offen rechte Komponenten auf: Im Widerspruch zum eigenen Wahlprogramm drückte die PSOE 1984 den im Land höchst unpopulären NATO-Beitritt Spaniens durch, indem sie die Bevölkerung in einem Referendum vor die Alternative „entweder EG mit NATO oder weder NATO noch EG“ stellte. Am erschreckendsten jedoch war das Vorgehen der PSOE im Baskenland. Innenminister José Barrionuevo legte mit dem Plan ZEN (Zona Especial Norte) ein veritables Aufstandsbekämpfungsprogramm auf, wie man es sonst nur aus Lateinamerika kennt. In diesem Zusammenhang schreckte die PSOE selbst vor Aufbau und Einsatz von rechten Todesschwadronen nicht zurück: Innenministerium und Polizeiführung bauten mit Hilfe französischer Söldner die so genannten „Antiterroristischen Befreiungsgruppen“ (GAL) auf, ein parastaatliches Mordkommando, das zwischen 1983 und 1987 dreißig baskische Linke auf der französischen Seite der Grenze ermordete, bis die Regierung in Paris schließlich der Auslieferung von mutmaßlichen ETA-Mitgliedern an die spanische Justiz zustimmte.[1] Auch der Einsatz der Folter wurde unter der spanischen Sozialdemokratie nicht eingedämmt, sondern weiter professionalisiert.
Selbstverständlich war diese Haltung auch eine Reaktion auf die immer blutigeren Anschläge der ETA und insofern Ausdruck der Staatsräson. Nichtsdestotrotz sagt die Repressionsstrategie doch Einiges über den Charakter sozialdemokratischer Politik in Spanien aus: Die PSOE artikulierte einen sozialen und politischen Kompromiss, der wichtigen Teilen der Bevölkerung mehr Alltagsfreiheiten und Wohlstand brachte, forcierte gleichzeitig aber auch die repressive Niederschlagung jener radikalen, antifaschistischen Opposition, der Spanien die Demokratisierung verdankte.
Die zweite Regierungsperiode der PSOE in den 2000er Jahren stand bereits unter gänzlich anderen Vorzeichen. Unter dem Rechtskonservativen Juan Manuel Aznar (1996-2004)[2] waren die noch unter González eingeleiteten, neoliberalen Reformen vertieft worden, und es hatte sich ein ‚immobiliengetriebenes‘ Entwicklungsmodell etabliert, das sich durch hohe Wachstumsraten, eine spekulativ finanzierte Anhebung des Konsumniveaus und massive politische Korruption auszeichnete.
Möglich wurde dieses Modell, weil die Anbindung an die starken Währungen der EU die Hypothekenkredite in Spanien weiter verbilligt hatte und die Immobilienpreise aufgrund der internationalen Nachfrage nach Ferienhäusern am Mittelmeer nur noch eine Richtung zu kennen schienen. Der kreditfinanzierte Wohnungsbau verwandelte sich in ein scheinbar gefahrloses Geschäft: Wenn ein Kreditnehmer seinen Schuldendienst nicht mehr leisten konnte, verkaufte er die Immobilie einfach zu einem höheren Preis. Das wiederum verringerte das Risiko für die Banken, erleichterte die Aufnahme von Krediten und trieb die Immobilienpreise noch weiter in die Höhe. Ein Art spekulatives Perpetuum Mobile, von dem nicht nur die politische Klasse (die sich die Erstellung von Baukonzessionen fürstlich entgelten ließ) profitierte, sondern eben auch Unternehmer und ihre Beschäftigten.
Die Abwahl der Konservativen 2004 war denn auch weniger der sozialen Unzufriedenheit als dem autoritären Politikstil der postfrankistischen PP geschuldet. Um den Zusammenhang mit dem höchst unpopulären Irak-Krieg zu vertuschen, hatten die Konservativen die islamistischen Anschläge in Madrid im März 2004 der ETA in die Schuhe geschoben und damit an die Law-and-Order-Reflexe der Wählerschaft zu appellieren versucht. Der Wahlsieg der PSOE unter José Luís Rodríguez Zapatero war eine Reaktion auf diesen gezielten Einsatz von Lügen und Desinformation und kam einem doppelten Wunder gleich: Nicht nur, dass Zapatero die Wahlen, getragen von einer Welle der Empörung über die Nachrichtenmanipulation durch die PP, noch in der letzten Woche zu drehen vermochte – nein, auch die Spitzenkandidatur von Zapatero selbst war bereits eine kleine Sensation gewesen. Zapatero, der als Enkel eines füsilierten republiktreuen Offiziers zum progressivsten Flügel der PSOE gehörte, hatte sich 2000 nur mit Unterstützung der katalanischen und andalusischen Sektionen gegen das Madrider Partei-Establishment durchgesetzt und galt der Parteirechten gar nicht als ernsthafte Regierungsoption.
Der Wahlsieg des Außenseiters 2004 ließ denn auch die Hoffnung aufkeimen, dass Spanien nun endlich die Kontinuität des Frankismus würde brechen und eine zweite Demokratisierung einleiten können. V.a. die Aufarbeitung der Menschenrechtsverbrechen der Diktatur, ein Umbau der Justiz- und Polizeiapparate und eine Verhandlungslösung für die seit Jahrzehnten schwelenden Autonomie- und Selbstbestimmungskonflikte im Baskenland und Katalonien schienen möglich zu werden. Tatsächlich unternahm Zapatero einige Anstrengungen für eine zweite Transition Spaniens. Er initiierte die „ley de memoria histórica“, also ein antifrankistisches Erinnerungsgesetz, signalisierte der von Sozialisten und katalanischen Unabhängigkeitslinken (ERC) gebildeten Regionalregierung in Barcelona Unterstützung bei ihrem Vorhaben, ein neues Autonomiestatut zu verabschieden, und nahm Friedensverhandlungen mit der ETA auf.
Doch die Folgejahre zeigten deutlich, welche Reformen innerhalb der realen Machtverhältnisse möglich waren und welche nicht: Unter Zapatero wurde die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert, Hunderttausende Migranten erhielten einen regulären Aufenthaltsstatus und ein Erinnerungsgesetz wurde verabschiedet, das die Folterer der Diktatur zwar weiter vor Strafverfolgung schützte, aber doch immerhin erstmals die Opfer würdigte. Auf der anderen Seite scheiterten die Liberalisierung der politischen Justiz sowie die Reform des katalanischen Autonomiestatuts. Auch die Verhandlungen mit der baskischen Unabhängigkeitsbewegung wurden – nicht nur von PP und der spanischen Ultrarechten, sondern auch von Teilen der PSOE selbst und dem PSOE-nahen Medienkonsortium Prisa / El País verhindert. Die erhoffte republikanische Modernisierung blieb aus.
Weitere Restriktionen für Reformpolitik zeigten sich nach dem Ausbruch der Immobilienkrise 2008. Ohne größeren Widerstand beugte sich die Zapatero-Regierung dem EU-Diktat, das von Spanien die staatliche Rettung des vom Kollaps bedrohten privaten Bankensektors verlangte. Obwohl die spanische Schuldenquote 2007 mit 42,1% (des Bruttoinlandsprodukts) deutlich unter der Deutschlands (65,3%)[3] lag, unterwarf die PSOE-Regierung die Bevölkerung einem scharfen Spardiktat und setzte massive Sozialkürzungen zugunsten der Bankenrettung durch. Die 2011 entstehende Massenbewegung 15M war nicht zuletzt eine Reaktion auf diese Erfahrung mit der PSOE. Millionen konstatierten, dass es offensichtlich keine Rolle spielte, „ob Linke oder Rechte regieren“, da die Sozial- und Wirtschaftspolitik unabhängig von der Regierungszusammensetzung stets dieselbe blieb. Die Parole „Echte Demokratie Jetzt“ war insofern eine Reaktion sowohl auf den entfremdeten Charakter repräsentativ-institutioneller Demokratie als auch auf das sich als „Sachzwang“ darstellende neoliberale Diktat.
So unterschiedlich sich die Regierungen González und Zapatero darstellen mögen und so sehr man über ihre Bilanz im Einzelnen streiten könnte, lassen sich doch immerhin folgende Aspekte festhalten: 1) Die Regierungsperioden der PSOE gingen nicht mit einem gesellschaftlichen oder politischen Linksruck einher. Eher das Gegenteil ist der Fall: Die gesellschaftliche Linke verlor unter der PSOE an Bedeutung. Zusammenfassend könnte man sagen, dass die PSOE-Politik eine europäische Modernisierung Spaniens ermöglichte, wie sie vom spanischen Kapital, den westlichen Verbündeten und einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung gewünscht wurde. 2) Aus Sicht der Unternehmen waren v.a. die PSOE-Regierungen unter Felipe González sehr funktional. Den Sozialdemokraten gelang es, die De-Industrialisierung und die Zerschlagung klassischer Arbeitermilieus durchzusetzen, ohne allzu massiven Widerstand zu provozieren. Zudem überwand Spanien das vom Frankismus verschuldete Imageprobleme, näherte sich rasant an Europa an und professionalisierte seine Polizei- und Sicherheitspolitik. 3) Auch ein wichtiger Teil der arbeitenden Bevölkerung profitierte von dieser Modernisierungsstrategie: Die Eingliederung in den europäischen Binnenmarkt und die Verbilligung der Konsum- und Hypothekenkrediten wirkten sich positiv auf das Konsumniveau aus. Der Preis für diese materielle Einbindung war allerdings die Durchsetzung einer Schuldenökonomie, die Millionen Menschen in die langfristige Abhängigkeit von Banken und Unternehmen trieb. Auch die Gewerkschaften UGT und CCOO, die sich von der PSOE-Regierung kooptieren ließen, verloren an Einfluss und besitzen heute kaum noch Mobilisierungskraft. 4) Das, was das Land an gesellschaftlicher Emanzipation erlebte und was sich v.a. in der Veränderung der Alltagskultur (v.a. der Sexual- und Familienmoral) niederschlug, war also nur teilweise von der PSOE durchgesetzt. Richtiger wäre es davon zu sprechen, dass die PSOE den Druck der Revolte auffing und kanalisierte. 5) Es gab durchaus auch Momente, in denen die PSOE-Regierungen emanzipatorische Reformen anzustreben schienen: Vor allem 2004/2005, als Zapatero die Möglichkeit einer republikanischen Demokratisierung – gegen die postfrankistische Rechte, den Zentralstaat und möglicherweise auch das Königshaus – eröffnete. Doch hier wurden sofort die Grenzen linker Reformpolitik sichtbar: Nicht nur die spanische Rechte machte gegen das Vorhaben mobil, sondern auch Teile der PSOE (unter dem damaligen Innenminister Rubalcaba und späteren PSOE-Vorsitzenden) und die parteinahe El País sabotierten Zapateros Anstrengungen.
Zusammenfassend könnte man also konstatieren, dass der PSOE gelang, woran der Frankismus und die rechten Übergangsregierungen gescheitert waren: Sie besiegte jene radikale gesellschaftliche Opposition, die Spaniens Eliten seit den 1960er Jahren vor sich hergetrieben hatte.
Transformationsstrategien
Das Beispiel zeigt deutlich, dass die Verknüpfung von Linksregierungen, Politikwechsel und sozialem Fortschritt offenkundig falsch ist. Die „Machtoption“ Regierungsbildung, von der in der parlamentarischen Linken so häufig die Rede ist, ist eine Chimäre. In Anbetracht der realen Machtstrukturen kapitalistischer Gesellschaften sind die Gestaltungsräume für (Mitte-)Linksregierungen viel geringer als gemeinhin unterstellt. Ohne gesellschaftliche Aufbrüche, die den Regierungswechseln vorausgehen, das Potenzial radikalerer Veränderungen in sich tragen und von eben diesen Regierungswechseln in der Regel auch wieder unterbrochen werden, ist emanzipatorische Reformpolitik undenkbar. Ohne Mobilisierung der Gesellschaft und ohne die Gefahr, dass diese Mobilisierung außer Kontrolle geraten könnte, werden sich (Mitte-) Links-Regierungen darauf beschränken (müssen), die herrschenden Machtverhältnisse zu verwalten. Im Fall Spaniens etwa weist Einiges darauf hin, dass der gesellschaftliche Aufbruch einer Mitte-Rechts-Regierung in den 1980er Jahren sogar weiter reichende soziale und politische Zugeständnisse hätte abringen können. Die PSOE band nämlich das widerständige Potenzial an sich und verringerte somit den gesellschaftlichen Druck für emanzipatorische, demokratische und sozialistische Transformationen.
Die Regierung Zapatero in den 2000er Jahren hingegen verweist auf das entgegengesetzte Dilemma: Hat eine (Mitte-) Links-Regierung die ihr zugestandene Funktion einmal erfüllt, nämlich soziale Bewegungen isoliert, geschwächt oder eingebunden, verflüchtigt sich der gesellschaftliche Druck, der das Reformpotenzial überhaupt erst eröffnet. Möglicherweise strebte Zapatero 2004 tatsächlich eine zweite demokratische Transition an, die es erlaubt hätte, die strukturellen Kontinuitäten des Frankismus zu kappen. Doch zu diesem Zeitpunkt gab es keine gesellschaftliche Kraft mehr, um solche Veränderungen auch durchzusetzen.
Was bedeutet das nun für emanzipatorische Politik? Offensichtlich und im Widerspruch zu den Interessen der involvierten Akteure (sowohl der reformistischen als auch der antisystemischen Radikalen) ist das Vorhandensein einer radikalen, potenziell revolutionären Opposition Voraussetzung jeder realistischen Reformperspektive. Sozialer Fortschritt wird zwar bisweilen (auch nicht immer) von (Mitte-) Linksregierungen institutionalisiert, doch notwendig wird er aufgrund von gesellschaftlichen Kämpfen und Revolten. Reformistische Parteien und Gewerkschaften sollten sich groß in ihre Notizbücher schreiben: Sie ziehen einen wesentlichen Teil ihrer Stärke aus Prozessen, die ihnen als Repräsentationsapparate ein Gräuel sind: radikal außerparlamentarische Jugend-, Arbeiter- und Umweltbewegungen, Minderheitenrevolten, kulturelle Rebellion oder sogar, wie im Fall Spaniens der 1970er Jahre, der bewaffnete Widerstand. Erst diese antagonistischen gesellschaftlichen Kräfte verleihen den reformistischen Parteien eine Bedeutung als Vermittler. Und das erklärt wiederum auch, warum die europäische Sozialdemokratie ausgerechnet in jenem Moment kollabierte, als sich zwei ihrer zentralen Thesen – erstens, dass es sich beim parteikommunistisch verwalteten Sozialismus um ein Herrschaftsprojekt handelt, das eben nicht zur gesellschaftlichen Emanzipation führt, und zweitens, dass der kapitalistische Markt ohne politisches Korrektiv dazu tendiert, sich selbst zu zerstören – offenkundig bewahrheiteten. Die europäische Sozialdemokratie bekam von der Geschichte inhaltlich Recht: Eine sozialistische Transformation muss im Prozess selbst (und nicht nur im Ziel) demokratisch sein; ohne gesellschaftliche Regulation und Kontrolle vernichtet der Kapitalismus die gesellschaftlichen Daseinsbedingungen. Doch ihre Ausnahmestellung im 20. Jahrhundert war nicht diesen Argumenten geschuldet, sondern leitete sich aus der Existenz radikalerer Bewegungen und Milieus ab, die die Sozialdemokratie als Kontroll- und Vermittlungsinstanz erst attraktiv machten.
Bruch, Symbiose, Nische – die Grenzen linker Strategien im 20. Jahrhundert
Die Linke steht heute somit vor einem strategischen Dilemma, das der US-Soziologe Erik Olin Wright in seinem Buch „Envisioning Real Utopias“ sehr anschaulich zusammengefasst hat. Wright unterteilt die strategischen Ansätze der Linken im 20. Jahrhundert in drei Kategorien: ruptural, symbiotic und interstitial; also: (revolutionärer) Bruch, (reformistische) Symbiose mit Kapital und bürgerlichem Staat sowie die unterbrechende, die Kohärenz des Systems unterlaufende, punktuelle Intervention. Wrights These lautet nun, dass alle drei Strategien auf ihre Weise an Grenzen gestoßen oder gescheitert sind. Inwiefern?
Nach Wright ist es fast unvermeidlich, dass aus sozialistischen Revolutionen – verstanden als Machtübernahmen im Staat – autoritäre Systeme erwachsen. Der revolutionäre Bruch zieht nämlich so tiefgreifende gesellschaftliche und politische Konflikte nach sich, dass sich die materiellen Lebensverhältnisse der Bevölkerung erst einmal dramatisch verschlechtern. Das führt, zumindest nach einer gewissen Aufbruchsphase, zu einer schweren Legitimationskrise des revolutionären Projekts. Die Revolution verliert an Ausstrahlungskraft und muss zunehmend ideologisch-autoritär verteidigt werden. Dementsprechend ist revolutionären Prozessen das Entstehen repressiver Staatseliten also fast notwendig eingeschrieben. Aus diesen Eliten wiederum, so könnte man im Anschluss an Wright argumentieren, entstehen bürokratische Klassen, die früher oder später ihre faktische Kontrolle über Gesellschaft und Produktion auch wieder in Eigentum verwandeln wollen werden. Die Emanzipation hebt sich langfristig selbst auf.
Die symbiotische Strategie, die die Sozialdemokratien und großen Gewerkschaften verfolgten, beruht hingegen auf der Vorstellung, dass sich sozialistische Transformationen harmonisch und in Kooperation mit Staat und Kapital umsetzen lassen. In dieser Hinsicht war das Denken der Sozialdemokratie im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht minder deterministisch als das des Sowjetmarxismus: Die Tendenz zum Fortschritt wurde als so mächtig erachtet, dass die kapitalistische Gesellschaft quasi von selbst und ohne schwere Konfrontationen in den Sozialismus hinüberwachsen sollte. Man könnte Wrights Argument in diesem Sinne zuspitzen: Der Reformismus erwies sich als blind gegenüber den realen Machtstrukturen bürgerlicher Gesellschaften und ist dementsprechend eben nicht realpolitisch.
Dass am Ende v.a. die reformistische Linke selbst transformiert wurde und sich heute nur noch ungern an ihr ursprüngliches Vorhaben (den Übergang zum Sozialismus) erinnert werden mag, hat mit den Eigendynamiken der symbiotischen Strategie zu tun. Über die politische und gewerkschaftliche Teilhabe stellt sich eine Identifikation mit staatlichen Einrichtungen und Unternehmen her. Es entwickelt sich ein ausgeprägtes, nationalistisch anschlussfähiges Standortbewusstsein. Das Kapital wird nur noch in Tarifkonflikten als Gegenseite wahrgenommen, der (in höchst formalisierten Prozessen) etwas abgerungen werden muss. Gutdotierte Stellen für Berufspolitiker, Abgeordnete und ihre Mitarbeiter, der erleichterte Zugang zu öffentlichen Mitteln und der Wunsch nach / Zwang zu medialer Anerkennung schaffen ein vielschichtiges Interesse an einer Anpassung an den politischen Betrieb. Natürlich wird diese Assimilation von links kritisiert, was mit einer gewissen Regelmäßigkeit zur Gründung neuer Linksparteien führt. Doch diese durchlaufen nach einiger Zeit wieder ganz ähnliche Prozesse.
Der dritte strategische Ansatz hingegen, nämlich die eher punktuelle, unterbrechende Praxis (interstitial) – in Form von Genossenschaften, alternativen Projekten, sozialen Bewegungen oder konkreter Alltagspraxis, wie sie für außerparlamentarische, anarchistische oder die Künstlerlinke typisch ist – hat sich zwar weniger von den Logiken der Macht korrumpieren lassen, gleichzeitig aber auch keine die Gesellschaft erfassende Kraft entwickelt. Wright schreibt in diesem Zusammenhang, die Strategie von Genossenschaften und Projekten eröffne zwar die Möglichkeit gesellschaftlicher Ermächtigung und verbessere die Lebensbedingungen für Menschen; es entstünden auch Räume für nicht-warenförmige, nicht-kapitalistische Beziehungen. Aber das alles stelle den Zwang zur Kapitalakkumulation als grundlegende Handlungsstruktur der Gesellschaft nicht in Frage. Genossenschaften und alternative Projekte schaffen Freiräume, aber ändern nichts an der gesellschaftlichen Macht des Kapitals, die der emanzipatorischen Veränderung harte, faktische Grenzen setzt. (Wright: 335)
An Wrights Argument anknüpfend könnte man etwas Ähnliches auch über die Praxis radikaler sozialer Bewegungen sagen: Rhetorisch mögen sie die Systemfrage aufwerfen, aber real entwickeln sie keine Strategie, um Machtverhältnisse aufzubrechen und zu verschieben. Die an die Bewegungslinke adressierte Kritik, sie diene in erster Linie der identitären Selbstvergewisserung und nicht dem politischen Erfolg, ist in dieser Hinsicht durchaus berechtigt.
Was aber bleibt, wenn alle drei bekannten Strategien auf ihre Weise versagen? Wright schlägt vor, die Ansätze neu zu verbinden, und bezieht sich in einem ersten Schritt positiv auf gramscianische und luxemburgische Ansätze, die „revolutionäre Realpolitik“ als Möglichkeit verstanden haben, um Lebens- und Kampfbedingungen strategisch so zu verändern, dass sich im Bestehenden mittelfristig andere gesellschaftliche Verhältnisse herausbilden können. Der politische, revolutionäre Bruch wird dadurch nicht überflüssig – die Verschiebung der Kräfteverhältnisse führt früher oder später zu machtpolitischen Konfrontationen, die irgendwann auch auf der Ebene der Staatsmacht ausgetragen werden müssen. Doch die Revolution, verstanden als Eroberung und Verteidigung der Staatsmacht, steht nicht mehr im Zentrum des Konflikts. Es geht vielmehr um den Aufbau einer sich ausbreitenden Gegenhegemonie.
Wright formuliert aber noch einen weiteren Einwand, der ihn auch von Gramsci entfernt: Er kritisiert, dass die Linke im 20. Jahrhundert ein ungebrochenes Verhältnis zum Staat besessen habe, und weist darauf hin, dass soziale Emanzipation nach Marx eben nicht die Ermächtigung des Staates gegenüber dem Kapital sei, wie es im 20. Jahrhundert oft den Anschein hatte, sondern die Ermächtigung der Gesellschaft – oder genauer: der subalternen Klassen – gegen Staat und Kapital. Es geht also darum, einen gesellschaftlichen Aneignungsprozess in Gang zu setzen, der die Macht von Kapital und Staat zugunsten von gemeinwirtschaftlichen, solidarischen, demokratischen und sozialen Strukturen verringert – ohne gleichzeitig die institutionellen und rechtlichen Arrangements, also die Ebene der Staatlichkeit, aus den Augen zu verlieren.
Man könnte in diesem Sinne von einem Perspektivwechsel sprechen. Das strategische Interesse der Linken verschiebt sich weg von der Eroberung der Staatsmacht hin zum gesellschaftlichen Emanzipationsprozess. Die Kriterien dieser Emanzipation sind klar: Machtverhältnisse demokratisieren, Ausbeutungsbeziehungen zurückdrängen und beschränken, das Naturverhältnis ökologisch verändern. Das heißt zum Beispiel: mehr soziale Gleichheit – gegen die Konzentration des Reichtums in den Händen weniger; Gemeineigentum und öffentliche Grundversorgung statt privater Profitinteressen; Demokratisierung aller Lebensbereiche, auch der Arbeit; globale Solidarität, gegen Rassismus und Ausgrenzung; eine Auflösung nicht nur von Geschlechterhierarchien und geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung, sondern auch von Geschlechtsidentitäten; soziale Kooperation statt Konkurrenz; weniger Arbeit, mehr Lebenszeit; ein Naturverhältnis, in dem die Natur nicht als zu verwertende Ressource oder gar als das zu unterwerfende „Andere“ betrachtet wird, sondern als Bestandteil unserer menschlichen Existenz; gesellschaftliche Verständigung („Planung“?) statt das entfesselte Kommando von Märkten und Kapital; eine Gesellschaft der vielen, differenten Lebensformen statt Normierung usw.
Folgt man Wright, dann muss eine realistische emanzipatorische Strategie darauf setzen, diese Anliegen in einer Art permanenter Bewegung vorwärtszubringen und zu verteidigen. Der soziale Fortschritt muss sich zwar immer auch institutionell niederschlagen, aber die staatliche Perspektive – sprich die reformistische oder revolutionäre Eroberung der Regierungsmacht – steht nicht mehr im Mittelpunkt des Projekts. Ja, mehr noch: Es muss sich ein Bewusstsein durchsetzen, dass der bürgerliche Staat für emanzipatorische Politik stets feindliches Terrain ist. Jede Verbesserung des institutionellen und rechtlichen Rahmens – z.B. ein Gesetz zur Förderung von Genossenschaften, ein System progressiver Steuern oder der Schutz alternativer, nicht-privater Medien – kann im bürgerlichen Staat nicht einfach durch parlamentarische Mehrheiten „beschlossen“, sondern muss dem Staat, gegen seinen eigentlichen Charakter, aufgezwungen werden.
Die strategische Ohnmacht der Linken, die alle gleichermaßen betrifft – reformistische ebenso wie revolutionäre Linke, parlamentarisch orientierte Parteien ebenso wie soziale Bewegungen, Staatslinke genauso wie den Anarchismus –, könnte die Chance eröffnen, sich über einen strategischen Ansatz zu verständigen, der alle Traditionslinien gleichermaßen aufgreift und sich doch von ihnen distanziert. Bei allen inhaltlichen Differenzen gäbe es für einen solchen Ansatz doch klar benennbare Kriterien. Ich würde behaupten, dass sich Linke sehr wohl darüber einig sind, was gesellschaftliche Emanzipation / Befreiung auszeichnet. Oder einmal ganz anmaßend: die oben genannten Kriterien von „sozialer Gleichheit“ bis zur „Gesellschaft der vielen, differenten Lebensformen“ sind die entscheidenden Merkmale linker Politik im 21. Jahrhundert. Jede politische Praxis, ob nun in sozialen Bewegungen, Projekten, Parteien oder Institutionen, müsste daraufhin untersucht werden, ob sie hinsichtlich dieser Kriterien eine Verbesserung darstellt oder strategisch eröffnet. Es gäbe keinen strategischen Königsweg, aber doch eine eindeutige Perspektive – nämlich nicht die von Staat und Regierung, sondern die der Subalternen und Ausgeschlossenen. Nicht „gutes Regieren“ wäre das Ziel, sondern gesellschaftliche Emanzipation von unten.
Unter den WortführerInnen der kritischen Linken war es nicht nur Wright, der in diese Richtung argumentiert hat. Givoanni Arrighi forderte in einem Interview kurz vor seinem Tod eine Abkehr vom Staat, und David Harvey wies in seinem Aufsatz „Den antikapitalistischen Übergang organisieren“ (2010) darauf hin, dass der Kapitalismus als »Ensemble« aus verschiedenen historischen Momenten entstanden sei und dementsprechend auch nur auf diesen Ebenen überwunden werden kann: »a) Technologische und organisatorische Formen der Produktion, des Austauschs und der Konsumtion, b) Beziehungen zur Natur, c) gesellschaftliche Beziehungen zwischen den Menschen, d) geistige Vorstellungen von der Welt, einschließlich Kenntnissen und kulturellen oder religiösen Auffassungen, e) Arbeitsprozesse und die Produktion bestimmter Güter, Geografien, Dienstleistungen oder Affekte, f) institutionelle, rechte und staatliche Arrangements, g) die alltägliche Lebensführung, auf der die gesellschaftliche Reproduktion beruht.« (2010: 13)
Ein emanzipatorisches Projekt wäre nur als schrittweise Veränderung dieser Einzelaspekte und des Gesamt-Ensembles vorstellbar. Dabei kann »eine antikapitalistische Bewegung von jedem dieser Punkte ausgehen (...). Die Kunst besteht darin, die politische Bewegung abwechselnd auf die verschiedenen Momente auszurichten, sodass sie sich wechselseitig verstärken..« (ebd. 13f.)
Auch der Begriff „radikaler Reformismus“ von Joachim Hirsch formuliert einen Perspektivwechsel weg von der Staatsführung hin zur Gesellschaft. Politische Alltagspraxis und die Kämpfe sozialer Bewegungen müssten darauf abzielen Lebens- und Kräfteverhältnisse konkret zu verändern. „Institutionelle und rechtliche Arrangements“, wie es bei Harvey heißt, also Modifikationen staatlicher Herrschaft, sind dann von Belang, wenn sie Lebens- und Organisationsbedingungen zugunsten der Subalternen verändern, wenn sie Solidarität und Gemeineigentum fördern, den Markt zurückdrängen, demokratische Räume öffnen. Emanzipation wäre dabei nicht als Regierungsvorhaben, sondern als gesellschaftlicher Prozess zu denken, der sich im Staat zwar niederschlägt und von einer Regierung unterstützt (oder eben bekämpft) werden kann, aber nie von dort ausgeht. Es ist der gesellschaftliche Widerstand, der andere – weniger autoritäre, sozialere, demokratischere – Formen des Regierens hevorbringt.
Gegenhegemonie oder Unregierbarkeit?
Die Bedeutung parlamentarischer Mehrheiten und Bündnisse ist also deutlich geringer als Medien und Politikbetrieb behaupten und die Öffentlichkeit gemeinhin annimmt. Aber lässt sich im Umkehrschluss daraus ableiten, dass einfach außerparlamentarische Akteure, also soziale Bewegungen, Gewerkschaften oder Basisgruppen die zentralen Subjekte gesellschaftlicher Emanzipation sind? Das wäre eine nicht weniger stereotype Vorstellung.
Die traditionelle Gramsci-Interpretation stellt sich Emanzipation genauso so vor: Der von linken Organisationen vorangetriebene und gelenkte Aufbau einer kulturellen, medialen und institutionellen Gegenhegemonie erzwingt Veränderungen in den staatlichen Institutionen. Wie „Schützengräben im Stellungskrieg“ werden die Machtverhältnisse von einer erstarkenden, gesellschaftlichen Linken verschoben.
Ich glaube nicht, dass dieses so populäre gramscianische Bild emanzipatorische Perspektiven eröffnet. Mit der Kriegsmetapher wird der Führungs- und Herrschaftsanspruch der Linken zementiert, denn noch mehr als der bolschewistische und mehr oder weniger improvisierte Sturm auf den Winterpalast bedarf der Stellungskrieg eines allwissenden, planenden Zentrums. Auch dem Gramscianismus liegt also eine strukturell autoritäre Annahme zugrunde – was im Übrigen erklärt, warum die mit der Hegemonietheorie der KPI so vertraute italienische Bewegungslinke (am deutlichsten Toni Negri) die Gramsci-Begeisterung des kritischen Marxismus im restlichen Westeuropa und Nordamerika nie so recht verstehen konnte.
Zudem verweist der reale Verlauf der jüngeren Geschichte aber auch darauf, dass manche Emanzipationsprozesse mit dem hegemonietheoretischen Instrumentarium des Gramscianismus nicht abschließend erklärt werden können. Der Politikwechsel beispielsweise, zu dem es in einigen Ländern Südamerikas in den vergangenen 15 Jahren kam und der sich v.a. in einer Abkehr von der neoliberalen Doktrin, der Umverteilung der Erdöl-Revenuen zugunsten der Allgemeinheit und in verstärkten sozialpolitischen Anstrengungen ausdrückte, resultierte eher einer Verbindung von Unregierbarkeit und politischem Vakuum als aus dem Erstarken einer gegenhegemonialen Linken.
Charakteristisch für Venezuela, Bolivien und Ecuador war in den 1980er und 1990er Jahren eine Abfolge sozialer Revolten, die die herrschende Hegemonie zwar unterminierten, aber eben kein eigenes Projekt konstituierten. Die plebejische Macht blieb diffus. Am deutlichsten lässt sich dies am Beispiel Venezuelas skizzieren: Aufgrund antineoliberaler Revolten und linksnationalistischer Meutereien in den Reihen der Militärs war das Land über ein Jahrzehnt lang unregierbar. Es kam also zu einem gesellschaftlichen Bruch, der das politische System zwar handlungsunfähig machte, es aber nicht durch eine alternative Macht substituierte. Erst nach zehn Jahren Dauerkrise setzt sich mit Chávez ein politisch zunächst relativ konturloser Kandidat bei Wahlen durch – praktisch ohne ihn stützende Organisationsstruktur – und leitete dann 1999 einen verfassunggebenden Prozess ein, durch den das alte politische System außer Kraft gesetzt und die Demokratie neu konstituiert wurde. Es war diese spezifische Verbindung von Bruch (die antineoliberalen Aufstände) , Kontinuität (der innerhalb der bestehenden Institutionalität erfolgte Wahlsieg) und Transformation (dervon gesellschaftlicher Partizipation getragene Verfassunggebende Prozess), die die Spielräume für den Politikwechsel eröffneten.
Doch auch in der Folgezeit war es weniger die ‚organisierte Macht‘ des Chavismus als vielmehr die diffuse ‚Möglichkeit der Macht‘ (potencia) der Vielen, die den Prozess in Gang hielt. Bei der Niederschlagung der rechten Umsturzversuche 2002-2004 etwa spielten die (kaum strukturierten) Regierungsparteien oder staatsnahe Strukturen (wie die Bolivarischen Zirkel) nur eine marginale Rolle. Entscheidender war die subterrane, aber auch nicht unorganisierte Mobilisierung der Armenviertel. Die Tatsache, dass Zehntausende gegen den Putsch auf die Straße gingen, unterminierte die Autorität der (putschistischen) Armeeführung, bis sich in den Reihen der Militärs schließlich eine verfassungstreue Linie durchsetzte. Anders als in Chile 1973 handelte es sich aber nicht um einen Schlagabtausch zwischen klar formierten Blöcken. Gerade die Diffusität[4] erwies sich als Waffe der Schwachen. Die venezolanische Rechte fand keinen organisierten, greifbaren Feind vor – und genau das scheint sie irritiert zu haben.
Und auch über die Jahre 2004-2013 lässt sich meiner Ansicht nach behaupten, dass sich der Konflikt zwischen Regierung und Opposition in Venezuela zwar eindeutig als Klassenkampf (und nicht als Konfrontation unterschiedlicher Diskurse und Politikformen), aber nicht unbedingt als ein von Parteien und sozialen Bewegungen strukturierter Hegemoniekonflikt erklären lässt. Die relative Stärke des Chavismus (die sich darin manifestiert, dass man sich in 15 Wahlen erfolgreich behaupten konnte) speist sich weniger aus seinem Organisationsgrad oder einer entwickelten Gegenhegemonie zum Kapital als aus seiner Fähigkeit, überraschende Verbindungen herzustellen und zu behaupten: So zeichnete sich die chavistische Politik über ein Jahrzehnt dadurch aus, dass Basisgruppen über direkte Kommunikationskanäle zur Staatsführung verfügten und mit dieser, aber an der Staatsbürokratie vorbei soziale Projekte entwickeln konnten. Militärs wurden zu Garanten eines sozialen Demokratisierungsprozesses, die Regierung betrieb die lateinamerikanische Integration mit den Regierungen der Nachbarstaaten, aber auch mit den oppositonellen sozialen Bewegungen jener Länder. Basisorganisationen verbündeten sich mit der Staatsmacht gegen die Regierung und die Rechte. All das scheint mir eher Ausdruck von lebendigen, aber unübersichtlichen plebejischen Prozessen als von einer strukturierten politischen Bewegung.
Offensichtlich ist Gegenhegemonie – verstanden als schrittweiser und von Bewegungen, Organisationen und Medien getragener Prozess gesellschaftlicher Ermächtigung – also nicht unbedingt Voraussetzung für einen Politikwechsel. Es fehlt offensichtlich ein weiteres Ziel: das der Überraschung, des „Tigersprungs unter dem freien Himmel der Geschichte“, wie es bei Walter Benjamin (1965: 90) heißt und wie ihn Isabell Lorey in einem Vortrag über die neuen radikaldemokratischen Bewegungen der letzten Jahre unlängst diskutiert hat. Emanzipation ist die Fähigkeit der Vielen, die konstituierten Verhältnisse zu verlassen und das institutionell eingehegte Kontinuum der Geschichte zu unterbrechen.
Mit diesem Hinweis will ich nicht der Spontaneität das Wort reden. Das Fehlen von organisierten Bewegungen und Diskussionen stellt in Venezuela heute ein enormes Problem dar. Es gibt, anders als im Chile der frühen 1970er Jahre, in Südamerika heute keine ernstzunehmende Transformationsdebatte. Mit dem Verweis auf die diffuse Dimension plebejischer Macht und allgemeiner au Benjamins Lob des revolutionären Geschichtsbruchs will ich darauf hinaus, dass die Vorstellungen der Linken von sozialem Fortschritt meist zu schematisch bleiben: In Venezuela, Bolivien und Ecuador war der Reformprozess nicht Folge eines Regierungswechsels oder linker Gegenhegemonien, sondern einer aus Revolten resultierenden Unregierbarkeit. Doch obwohl die antineoliberalen Revolten von 1989ff sich klar gegen den Staat richteten, schlugen sie sich im Staat nieder und wären ohne den Regierungswechsel verpufft ergebnislos. Und das alles begleitet und geformt von einer ausgeprägt caudillistischen Rhetorik. Der reale Prozess ist also aus verschiedenen Perspektiven irritierend.
Meiner Ansicht nach muss es darum gehen, sich für diese Irritationen zu interessieren und sie nicht sofort in bekannte Erklärungsmuster zu pressen. Wer eine emanzipatorische Perspektive verfolgt, muss auf das Moment der Überraschung setzen. Und diese Überraschung können wir nach eineinhalb Jahrzehnten der Reformpolitik in Südamerika konstatieren: Nachdem eine ganze Generation von Linken, mit der chilenischen Erfahrung vertraut, von der Unreformierbarkeit des Kapitalismus ausging, hat die Strategie, sich – trotz völlig ungleicher Bedingungen für die Linke – an Wahlen zu beteiligen, immerhin wieder den Vorstellungsraum für nichtkapitalistische Alternativen eröffnet (das ist weniger als die südamerikanische Staatslinke für sich beansprucht, aber weit mehr als die europäischen Linken – egal ob in Bewegungen oder Parteien – von sich behaupten können. In Venezuela ist die Inklusion der antistaatlichen Ausgeschlossenen über den Staat erfolgt. Gleichzeitig hat sich die Orientierung am Staat aber auch sofort wieder als Problem erwiesen, denn der als revolutionär proklamierte, linksregierte Staat bringt neue Proto-Klassen und neue Formen des politisch-ökonomischen Klientelismus hervor. Und schließlich hat sich auch gezeigt, dass bei den Klassenauseinandersetzungen nicht die organisierte Gegenmacht der Linken entscheidend war, sondern erneut die Fähigkeit, die Kontrolle durch die alten Eliten zu unterbrechen.
Ich bin nicht in der Lage, daraus strategische Vorschläge abzuleiten. Aber der portugiesische Sozialwissenschaftler und Theoretiker Boaventura de Sousa Santos (2010) hat in einem recht hellsichtigen Aufsatz ja sowieso die These aufgestellt, die Funktion linker Theorie sei es nicht länger, Strategien für die Zukunft zu entwerfen (die gesellschaftlichen Bewegungen dann übergestülpt werden), sondern Prozesse der jüngeren Vergangenheit zu verarbeiten und etwas verständlicher zu machen. In diesem Sinne scheint mir auf der Hand zu liegen, dass wir die Grundlagen emanzipatorische Politik neu erfinden müssen: Weder parlamentarische Mehrheiten und Regierungskoalitionen noch der von Gewerkschaften, Intellektuellen, Netzwerken etc. getragene Aufbau einer Gegenhegemonie (oder die revolutionäre Eroberung der Staatsmacht) ist der Schlüssel zur Emanzipation. Gesellschaftliche Prozesse bedürfen der Lebendigkeit und Unberechenbarkeit, durch die sich Fenster des Möglichen eröffnen – eine kollektive Vorstellungskraft, die erst im Handeln entsteht und dann ständig neue Möglichkeiten des Handelns eröffnet.
Institutionelle und organisierte Politik von links ist hierfür wichtig. Sie markiert und öffnet das Feld, auf dem sich die gesellschaftlichen Prozesse entfalten, und kann sie, im besten Fall, gegen die Angriffe der herrschenden Macht schützen. Aber sie selbst ist eben nicht dieser Prozess.
Vielleicht brauchen wir also vor allem einen Perspektivwechsel: Emanzipation hat weniger mit Staatsmacht und Regierung zu tun als reformistische und revolutionäre Linke dies glauben. Im besten Fall kann sie durch besondere Konstellationen in den Institutionen begünstigt werden; doch sie geht nie von dort aus: Staaten sind Herrschaftseinrichtungen und dementsprechend keine Akteure der Befreiung. Andererseits liegen aber auch der Anarchismus und die radikalen sozialen Bewegungen falsch, die die Bedeutung institutioneller Arrangements und konkreter Erfolge im Bestehenden ignorieren: Eine politische Praxis, die nichts verändert, wirkt letztlich demobilisierend, weil sie sich selbst zur identitären Geste reduziert.
Eine institutionelle Politik, der die Grenzen ihres Tuns bewusst ist und die sich in den Dienst eines gesellschaftlichen Projekts stellt, und umgekehrt Bewegungen und Revolten, die die Notwendigkeit erkennen, konkrete Erfolge durchzusetzen und in die Staatlichkeit einzuschreiben – das könnte eine Verbindung sein, der es gelingt, die herrschenden Regierungstechniken von Hegung, Manipulation, Einschüchterung, Spaltung und Kontrolle zu unterlaufen. Wenn die Debatten hingegen weiterhin nur oberflächlich über das Zustandekommen von Koalitionen geführt werden, dann ist das Scheitern linker Politik schon jetzt vorhersehbar. Wir brauchen keine Debatte über R2G, sondern ein Transformationsprojekt – und noch dringender: eine Strategie zu deren Umsetzung.
Raul Zelik ist Fellow des Instituts für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Literatur
Arrighi, Giovanni (2010): Die verschlungenen Pfade des Kapitals, Hamburg: VSA
Harvey, David (2010): Den antikapitalistischen Übergang organisieren, Supplement Sozialismus 11/2010, Hamburg: VSA
Sousa Santos, Boaventura de (2010): Warum ist Kuba für die Linke zu einem schwierigen Problem geworden?, RLS-Standpunkte, online unter: http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Themen/Ausland/Lateinamerika/AKLA/Boaventura_de_Sousa_Santos__Kuba-Standpunkte_Int_30-2010.pdf, 1.6.2014
Wright, Eric Olin (2010): Envisioning Real Utopias, Verso: London
[1] Le Journal Basque, 16.3.2012, «Dès l’été 1984 Paris comprend que Madrid est derrière le GAL», http://www.lejpb.com/paperezkoa/20120316/328837/fr/Des-l%E2%80%99ete-1984-Paris-comprend-que-Madrid-est-derriere-le-GAL, 31.5.2014
[2] Wie weit rechts die spanischen Konservativen stehen, wird auch daraus ersichtlich, dass PP-Chef José Manuel Aznar in seiner Jugend im falangistischen Studierendenverband Frente de Estudiantes Sindicalistas aktiv gewesen war.
[3] OECD: „Die OECD in Zahlen und Fakten 2011-2012“, http://www.oecd-ilibrary.org/docserver/download/3011045ec091.pdf?expires=1401567958&id=id&accname=guest&checksum=16F9CD4CF7782605CB5E04D5E5746028, 31.5.2014
[4] Als „Diffusität“ wird in der Akustik die Nichtlokalisierbarkeit von Schallwellen bezeichnet. Dieser Begriff scheint mir sehr angemessen für den politischen Zusammenhang zu sein: Die plebejische Macht, die sich im Widerstand gegen die rechten Putschversuche artikulierte, besaß weder ein Zentrum noch einen eindeutigen Ausgangsort.