Die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung hat heute zu einem Streik- und Aktionstag aufgerufen. Anlass ist der ungeklärte Tod von zwei Gefangenen letzte Woche. Derweil führt Urko Aiarza von Batasuna in Europa Gespräche mit verschiedenen Abgeordneten.

ND: Herr Aiarza, Sie sind als Batasuna-Vertreter auf Rundreise. Wie ist das möglich? Ihre Organisation steht auf der Terrorliste der EU.
Aiarza: Es ist eine kafkaeske Situation. Unser Partei-Kongress ist verboten worden, gleichzeitig werden wir vom baskischen Ministerpräsidenten offiziell zu Gesprächen eingeladen, und treffen uns informell mit Führungspersonen der spanischen Sozialisten und Abgeordneten aus Europa.

Im Baskenland ist viel von einem Friedensprozess die Rede. Steht der seit 50 Jahren anhaltende politische Konflikt in Ihrem Land vor einer Lösung?
Seit Batasuna im November 2004 den Vorschlag Orain Herria, orain Bakea (Jetzt soll die Bevölkerung entscheiden, jetzt Frieden) vorgelegt hat, hat es zahlreiche Kontakte gegeben. Wir stehen sozusagen an der Eingangstür eines Friedensprozesses. Das spanische Parlament hat die Regierung Zapatero autorisiert, Verhandlungen mit ETA aufzunehmen, die bewaffnete Organisation ihre Anschläge auf Politiker eingestellt und seit drei Jahren niemanden mehr getötet. Unserer Meinung nach sollte es zwei getrennte Verhandlungsszenarien geben. Die politischen Angelegenheiten sollten von den Akteuren im Baskenland diskutiert werden, d. h. den dort vertretenen Parteien einschließlich PP und Batasuna. Die spanische Regierung und ETA hingegen sollten sich in einem davon getrennten Verhandlungsprozess mit den Fragen auseinander setzen, die den bewaffneten Konflikt betreffen. Auf diese Weise haben alle Akteure eine Rolle, ohne dass es zu einer Form des Diktats kommt.

Die Positionen scheinen unversöhnlich. Ein beträchtlicher Teil der baskischen Gesellschaft fordert die Unabhängigkeit. Zapatero kann dem kaum zustimmen, weil die spanische Gesellschaft ihrerseits viel zu nationalistisch ist, um einer Schwächung Spaniens zuzustimmen.
Madrid soll ja nicht der Unabhängigkeit zustimmen, sondern alle Beteiligten sollen demokratische Spielregeln anerkennen. Das Recht der Baskinnen und Basken, selbst über ihre Zukunft entscheiden zu können, muss akzeptiert werden. Die verschiedenen Strömungen können dann politisch versuchen, die Bevölkerung von ihren Projekten zu überzeugen – und alle müssten wir das Ergebnis einer Volksbefragung akzeptieren.

Wer sind die Basken, die bei einem Referendum abstimmen sollten? Nur Menschen mit baskischen Vorfahren?
Natürlich nicht. Für uns ist die Definition seit den 1960er Jahren eindeutig: Basken sind alle Menschen, die im Baskenland leben und arbeiten. Unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer politischen Ausrichtung, ihrer Sprache oder identitären Zuordnung. Dazu gehören für uns im übrigen auch die illegalen Arbeiter, die Sans Papiers. Ethnische Zuordnungen spielen bei uns überhaupt keine Rolle. Viele Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung stammen aus andalusischen oder Madrider Familien.

Selbst wenn sich die Parteien im Baskenland auf ein Referendum einigen sollten, wäre dieses illegal. Die Aznar-Regierung hat extra ein Gesetz dagegen erlassen, die spanische Verfassung verbietet, die Integrität der Nation in Frage zu stellen.
Wenn der spanische Staat, um das demokratische Recht im Baskenland anzuerkennen, seine Verfassung ändern muss, dann muss er sie eben ändern.
Die Zapatero-Regierung weiß, dass alle Regierungen der vergangenen 25 Jahre im Zusammenhang mit dem baskischen Konflikt gestürzt sind. Zapatero hat also ein gewisses Interesse, den Konflikt endlich zu lösen. Ein Friedensprozess wird für alle Beteiligten lang, hart und schwierig werden.

An den spanischen Außengrenzen sterben mehr Menschen als früher an der innerdeutschen Grenze. Warum kämpfen Sie in einer solchen Situation für neue Grenzen, anstatt für die Abschaffung von Grenzen?
Wir wollen eine andere, offene Migrationspolitik. Das Problem ist nur: Man lässt uns nicht. Wir können nicht selbst entscheiden. Es geht uns deshalb auch nicht um neue Grenzen, sondern um einen Ort, wo wir eine andere, linke Politik realisieren können.
Fragen: Raul Zelik

 

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