Interview mit Cristina Marcos und Unai Urruzuno, SprecherInnen der illegalisierten baskischen Partei Acción Nacionalista Vasca (ANV)
Freitag, 8.2.2008
Unmittelbar vor den spanischen Parlamentswahlen hat die spanische Regierung erneut zwei baskischen Linksparteien verbieten lassen: die republikanische ANV und die gewerkschaftsnahe, kommunistische EHAK. Wir sprachen in Berlin mit Cristina Marcos, Gemeinderätin der Industriestadt Barakaldo, und Unai Urruzuno, dem gewählten, offiziell aber nicht anerkannten Bürgermeister von Ondarroa.
Die spanische Regierung begründet das Verbot Ihrer Partei damit, dass sich hinter Ihnen die verbotene Organisation Batasuna verstecke.
Urruzuno: Das ist eine verlogene Argumentation: Erst behauptet man, Batasuna sei identisch mit ETA und müsse deshalb verboten werden, und dann, ANV sei das Gleiche wie Batasuna. Es geht der Zapatero-Regierung in dieser Frage nicht um Gesetze, sondern um Politik. 15 Prozent der baskischen WählerInnen sollen aus der Demokratie ausgeschlossen werden.
Marcos: Unsere Partei ist 77 Jahre alt. Sie entstand als linke, antifaschistische Alternative zum bürgerlichen Nationalismus. Sie hat rassistische Vorstellungen bekämpft und ist für soziale Gerechtigkeit eingetreten. Im Bürgerkrieg kämpfte die ANV nicht nur im Baskenland, sondern auch in Asturien und in Katalonien.
Während der Diktatur war die ANV verboten, und danach haben wir nur noch eine kleine Rolle gespielt. Aber nach den Parteiverboten haben wir uns angeboten, das politische Spektrum der baskischen Linken zu repräsentieren. Bei den Kommunalwahlen 2007 haben wir 14% der Stimmen gewonnen. Wir stellen 24 Bürgermeister, weitere 21 Bürgermeisterposten würden uns eigentlich zustimmen.
Das spanische Parteiengesetz verlangt, eine Distanzierung von der ETA. Warum fällt es Ihnen schwer, die Bombenanschläge der ETA zu verurteilen?
Marcos: Wir treten für ein Ende der Gewalt ein – allerdings der Gewalt auf allen Seiten. Im Baskenland gibt es ja nicht nur die ETA-Anschläge. Es gibt Folter, Polizeigewalt, Zeitungs- und Organisationsverbote, und es gab sogar staatliche Todesschwadronen. Diejenigen, die von uns eine Verurteilung der Gewalt fordern, wenden selbst am meisten Gewalt an. Vor diesem Hintergrund lehnen wir eine einseitige Distanzierung ab.
Urruzuno: Kein gewalttätiger politischer Konflikt auf der Welt wurde durch Distanzierungen gelöst. Wir brauchen eine politische Lösung, ein Abkommen über demokratische Grundrechte, die von allen respektiert werden. Dafür treten wir ein.
Die Situation bei den letzten Kommunalwahlen war verwirrend. Zwei baskische Linksparteien wurden verboten. Die ANV hingegen wurde „nur“ in 133 von 257 Gemeinden kriminalisiert. Sie Herr Urruzuno wurden zum Bürgermeister der Küstenstadt Ondarroa gewählt, dürfen Ihr Amt aber nicht antreten.
Urruzuno: Die ANV hat überall kandidiert – auch in den Gemeinden, wo unsere Listen verboten waren. Die für uns abgegebenen Stimmzettel werden zwar als ungültig registriert, aber trotzdem gezählt. Wir wissen deshalb, dass wir in Ondarroa eine absolute Mehrheit im Gemeinderat gewonnen haben. Die Parteien vor Ort haben daraufhin vereinbart, dass niemand sein Amt antritt, und eine von allen gebildete Bürgerkommission die Kommunalgeschäfte leitet. Die Parteizentralen in Bilbao haben daraufhin Politiker von außerhalb eingesetzt. Wir nennen diese Gemeinderäte „Falschschirmspringer“.
Was bleiben Ihnen noch für Möglichkeiten, wenn alle Ihre Parteien und Organisationen verboten werden?
Urruzuno: Die Zapatero-Regierung setzt auf Repression. Aber der baskische Konflikt wird sich nur politisch lösen lassen. Die Kämpfe der baskischen Linken werden dafür sorgen, dass irgendwann erneut verhandelt wird. Das kann in einem, in 5 oder auch erst in 10 Jahren sein. Für solche Gespräche stellen Verbote natürlich ein Hindernis dar. Aber Batasuna ist seit 2003 illegal und hat trotzdem eine führende Rolle im gescheiterten Verhandlungsprozess der letzten Jahre gespielt.
Fragen: Raul Zelik