(erschienen in: WOZ Mai 2003)
Wenn man in diesen Monaten die Politik der "demokratischen Opposition" Venezuelas betrachtet, gelangt man zu den Eindruck, es mit regelmäßigen Lesern verschwörungstheoretischer Agententhriller zu tun zu haben. Nachdem es mittlerweile als erwiesen gelten kann, dass die auf die Oppositionsdemonstration am 11. April 2002 abgegebenen tödlichen Schüsse, mit denen vor einem Jahr rechte Militärs ihren Putschversuch gegen die Chávez-Regierung legitimierten, von den Putschisten selbst abgefeuert worden waren, hat sich nun herausgestellt, dass die Opposition auch für eine Reihe weiterer Morde und Anschläge verantwortlich ist.
So wurden im Februar dieses Jahres 3 zum Schutzpersonal der Oppositiongruppen gehörende "demokratische Militärs" erschossen, was von den venezolanischen Medien wochenlang als Beleg für den vermeintlichen "Regimeterror" ausgeschlachtet wurde. Im März und April folgten Bombenanschläge auf die Botschaften von Spanien, Kolumbien und das Business-Gebäude Caracas Teleport, in deren Umgebung bizarrerweise Bekennerschreiben legaler linker Organisationen gefunden wurden.
Wie Tatbeteiligte nun ausgesagt haben, seien diese Verbrechen von der Führung der oppositionellen "demokratischen Militärs" persönlich angeordnet worden. Der Ex-Polizeiagent der von der Opposition regierten Gemeinde El Hatillo Luis Chacín Sanguines und der Marineoffizier Pedro Sifontes gaben übereinstimmend zu Protokoll, den Befehl für die Ermordung ihrer 3 Kollegen von General Felipe Rodríguez und Koronel Fernando da Costa erhalten zu haben. Rodríguez und da Costa, die sich in Ungehorsam gegenüber der Chávez-Regierung erklärt haben, gelten als Helden der venezolanischen Opposition. Für General Rodríguez, dem Sicherheitschef am Plaza Franica in Caracas, wurde erst vor wenigen Wochen ein feierlicher Festakt veranstaltet.
Chacín Sanguines zufolge waren Rodríguez und da Costa auch die intellektuellen Urheber der Bombenanschläge auf die Botschaften von Kolumbien und Spanien, die in verschiedenen Medien als Hinweis auf internationale Terrorbeziehungen in Venezuela interpretiert worden waren. Den Ermittlungen zufolge habe ein italienischer Industrieller für den Erwerb von C-4- Sprengstoff etwa 30 Millionen Bolivares (etwa 30.000 Franken) gezahlt. In Gang waren die Recherchen gekommen, nachdem eine 14-Jährige, die den Mord an den Soldaten überlebt hatte, einige Tatbeteiligte identifizieren konnte.
Das Kalkül der Terrorakte ist logischer, als es auf den ersten Blick wirkt. Um sich greifendes Chaos diskreditiert die Chávez-Regierung und erhöht die Legtimität einer autoritären Lösung von rechts. Dabei ist nicht unwahrscheinlich, dass die venezolanischen Verschwörer auf internationale Unterstützer zählen konnten. Bemerkenswert ist immerhin die Tatsache, dass die kolumbianische Botschaft ihre Videoaufnahmen aus der Anschlagsnacht, auf denen die Attentäter zu sehen sein müssten, Presseberichten zufolge bis heute den venezolanischen Ermittlern nicht zur Verfügung gestellt haben.
Raul Zelik